Liedpredigt: Ich steh an deiner Krippe hier
von Ingrid Cramer-Doerschel
Gnade sei mit Euch und Friede von dem da war und ist und kommen wird, Jesus Christus Amen.
Liebe Gemeinde,
der Liederdichter Paul Gerhard feierte im letzten Jahr 400. Geburtstag. Heute soll uns eines seiner schönsten Lieder im Weihnachtsgottesdienst begleiten und damit möchte ich sozusagen den Kreis schließen. Es ist: Ich steh an deiner Krippen hier ich möchte sie nun bitten, aus dem Lied Nr. 37 die erste und zweite Strophe zu singen: Ich steh an deiner Krippe hier.
Ja, da stehen wir nun, an der Krippe, und wünschen uns gegenseitig den Frieden und die Freude jener Nacht. Weihnachten soll Ruhe und Frieden bringen - wenigstens für ein paar kurze Tage - und wer hätte sie nicht nötig nach dem adventlichen Stress und der Hektik.
Allerdings, von Ruhe und Stille, von Beschaulichkeit und zur-Ruhe-kommen ist in der Weihnachtsgeschichte kaum die Rede. Da geht es um einen kaiserlichen Befehl - und seine Ausführung duldet keinen Aufschub. Da sucht eine hochschwangere Frau ein Quartier, und die Suche muss schnellstens zum Erfolg führen. Da eilen die Hirten zur Krippe, und nachher geht es um die Rückkehr zur Arbeit und zu den Nachbarn, die ja auch diese ganz besondere Botschaft erfahren sollen.
Wir wünschen und leisten uns also etwas, was den Hauptakteuren aus der Weihnachtsgeschichte nicht gegönnt war: Ruhe und Besinnlichkeit. Sie waren wahrscheinlich erst viel zu beschäftigt, um Ruhe zu finden, und dann viel zu aufgewühlt.
Nur einer scheint sich von dieser Unruhe nicht erfassen zu lassen, nur einer hat scheinbar still seinen Platz an der Krippe gefunden. Es ist Josef, der Zimmermann. Wer weiß schon, was ihn innerlich umtreibt. Von außen betrachtet wirkt er ruhig, gelassen. Wir sind ihm da ähnlich. Äußerlich lassen wir uns kaum etwas anmerken. Schließlich können wir uns ja beherrschen. Aber in Wirklichkeit sind wir abgehetzt und ausgelaugt, vielleicht nervös, unzufrieden, unverstanden. Vielleicht sind einige von uns auch enttäuscht von dem Heiligen Abend, haben vielleicht mehr Wärmen, Freude, Friede erhofft und weniger bekommen.
Stellen wir uns also in Gedanken neben Josef, an die Krippe. Das ist heute unser Platz.
Strophe drei
Da liegt also das Kind in der Krippe. Ein Bündel Leben im Heu. Ochs und Esel müssen sich ihr Futter heute einmal anderswo holen. Leben kommt aus der Krippe: Für das Vieh Heu und Hafer. Und für uns: Ein Kind. Ein Kind über das die Engel sangen und die Hirten erzählten: Euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr. Leben kommt von dem Kind in der Krippe. Wird angesichts dieses Bildes von Leben das Leben, das wir führen oder zu führen gezwungen sind, nicht fragwürdig? Wie könnte wohl die Botschaft aus der Krippe in jener Nacht lauten. Doch auch so: Plagt euch doch nicht damit ab, immer noch größer und besser, schneller und produktiver, leistungsfähiger und effektiver sein zu wollen, immer mehr haben zu wollen. Verachtet euch nicht so in Euren Schwächen, euren Schattenseiten, Eurer Armut. Sondern schaut auf das Kind in der Krippe in seiner Armut und Niedrigkeit. So kommt Gott uns nahe. Wenn ihr dieses Begreift, dann werdet ihr barmherziger zu euch selbst und auch zu anderen sein.
Strophe 4
Leben braucht Hoffnung. Sehen wir uns das Kind an: Nach der anstrengenden Geburt ist es nun ruhig und schläft nun. Es hat seine Zukunft noch vor sich. Nur wenig ist bis jetzt festgelegt. Das Leben beginnt erst. Auch für uns ist da eine Chance. Wir können neu beginnen; das Licht in der Christnacht kann uns verändern, denn Gott ist zu den Menschen gekommen und seine Nähe erhellt unser Leben. Sehen wir uns Maria und Josef an: Sie scheinen gleichsam von innen heraus den Stall zu erhellen. Leben braucht Licht und Helligkeit. Sehen wir uns die Hirten an: Sie sind anders gegangen als sie gekommen waren. Leben braucht Zuspruch und Bewegung. Sehen wir uns das Kind an. Es hat Frieden. Gott hält seine Hand über ihm. Leben braucht Geborgenheit.
Aus der Krippe kommt das Leben. Deshalb ist es wichtig, an ihr stehen zubleiben um Atem zu holen, um Kraft zu schöpfen, um Frieden zu finden. Die Tiere wissen das: Sie nehmen daraus, was sie zum Leben brauchen. Vielleicht können wir auch so ab und dann an der Krippe stehen bleiben und das Kind betrachten.
Strophe 9
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als unsere menschliche Vernunft, bewahre in dieser Hoffnung unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, Amen.